Seit 2012 sind wir Flexible Grundschule und verfolgen damit ein pädagogisches Konzept, das auf jahrgangsgemischten Klassen beruht:
- Die den Kindern aus dem Kindergarten bereits vertraute Altersmischung wird fortgeführt. Die ohnehin immer vorhandene Heterogenität der Schüler*innen wird nicht reduziert, sondern genutzt. Schulerfahrene, ältere Kinder lernen gemeinsam mit Schulanfänger*innen.
- Die Kinder nehmen innerhalb ihrer Klasse – je nach Schulbesuchsdauer – unterschiedliche soziale Rollen ein, die sie anders fordern und in der sie vielfältigere soziale Erfahrungen machen können, als das in einer jahrgangsreinen Klasse möglich ist. Diese wirken sich auf Selbstkonzept, soziale Anpassungsfähigkeit, Lernfreude und Anstrengungsbereitschaft aus, die in jahrgangsgemischten Klassen höher ausgeprägt sind als in jahrgangshomogenen.
- Die Jahrgangsmischung erfordert eine veränderte Unterrichtsgestaltung, die differenzierter auf die Lernlage der Kinder eingeht und weniger frontal ausgerichtet ist. Auch davon profitieren die Kinder.
Zum Konzept der Jahrgangsmischung
Die pädagogische Grundidee altersgemischten Lernens ist es, die Verschiedenheit der Kinder nicht nur zu akzeptieren, sondern zu nutzen. In jahrgangsreinen Klassen sind die Kinder in ihrer Lernentwicklung nur vermeintlich gleich weit – in jahrgangsgemischten Klassen ist ihre Verschiedenheit klar erkennbar. Das verändert den Unterricht und darin liegen auch Chancen: Die Kinder lernen voneinander und miteinander.
Dabei stehen sie im sozialen Austausch – sie haben miteinander zu tun, erleben menschliche Nähe und fühlen sich sozial eingebunden. Sie entwickeln sprachliche Kompetenzen und üben wichtige soziale Verhaltensweisen ein, wie Rücksichtnahme, Zusammenarbeit, Konfliktfähigkeit, demokratische Umgangsformen, Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft und Empathie.
Jüngere Kinder wachsen in eine bestehende Klassengemeinschaft hinein. Sie lernen am Modell, orientieren sich an älteren Kindern und übernehmen ganz selbstverständlich in der Klasse bereits bestehende Rituale und Regeln.
Die Kinder erklären sich Lerninhalte auch gegenseitig. Das bringt nicht nur dem Kind, das Unterstützung bekommt, Vorteile, sondern auch demjenigen, das etwas erklärt. Es trainiert dabei sprachliche Fähigkeiten und Kooperationsfähigkeit, wiederholt und verinnerlicht die Lerninhalte nachhaltiger – nur was ich wirklich verstanden habe, kann ich auch erklären. Und ganz wichtig: Das Kind erlebt sich selber als kompetent – das stärkt Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl und steigert die eigene Lernmotivation. Ein Rollenwechsel ergibt sich durch die Altersmischung ganz selbstverständlich. Jedes Kind, auch ein leistungsstarkes, erlebt, dass ein anderes Kind mehr kann. Und auch jedes langsam lernende Kind kann sich als Helfer erleben.
Wir knüpfen mit diesem Konzept direkt an unseren schulischen Leitspruch an: Gemeinsam sind wir stark!
Erhebung der Lernausgangslage
Die Erhebung der Lernausgangslage stellt ein Kernelement der Flexiblen Grundschule dar. Zur Ermittlung des individuellen Lernstands der Schulanfängerinnen und -anfänger setzen die Lehrkräfte mit FIPS „Fähigkeitsindikatoren Primarschule“ ein computergestütztes und standardisiertes Verfahren ein. Anhand verschiedener Aufgabentypen wird der Kenntnisstand in den Bereichen Wortschatz, Lautbewusstsein, frühes Lesen und frühe Mathematik erfasst.
Die Eltern erhalten Rückmeldung über das Testergebnis ihres Kindes und die Lehrkraft plant auf Grundlage der Ergebnisse den Unterricht und spezielle Fördermaßnahmen. Die Ergebnisse von FIPS können zudem Grundlage für Eltern- und Beratungsgespräche sein, wenn z. B. die Lernentwicklung thematisiert wird oder eine Entscheidung über die Verweildauer getroffen werden soll.
Flexible Eingangsstufe
In der flexiblen Eingangsstufe werden die Jahrgangsstufen 1 und 2 zusammengefasst und jahrgangsübergreifend unterrichtet. Ausgehend von den individuellen Kenntnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler steht ein pädagogisches Konzept im Mittelpunkt, das auf Differenzierung und Individualisierung ausgerichtet ist. Mit offenen Unterrichtsformen, guten Aufgaben, die allen Kindern ein Arbeiten auf verschiedenen Niveaustufen ermöglichen, und einer Unterrichtsmethodik, die das individuelle Lerntempo berücksichtigt, wird der Heterogenität Rechnung getragen.
Flexible Verweildauer
Durch die Möglichkeit einer ein-, zwei- oder dreijährigen Verweildauer in der Eingangsstufe wird sichergestellt, dass alle Schüler über die für den Übergang in Jahrgangsstufe 3 erforderlichen Kompetenzen verfügen. Je nach Verweildauer in der Eingangsstufe besuchen die Kinder die Flexible Grundschule demnach zwischen 3 und 5 Jahren. Weitere Informationen zur Flexiblen Grundschule finden Sie beim Bildungspakt Bayern.
Umsetzung im Unterricht
Im Unterricht gibt es Phasen gemeinsamen Lernens, in denen die Kinder unabhängig vom Schulbesuchsjahr an gleichen Lerninhalten arbeiten, wie z.B. in HSU, Musik, Kunst, Sport oder beim Texte schreiben.
Dann gibt es Stunden mit gemeinsamem Thema und differenzierter Arbeitsphase. So arbeiten Erstklässler beispielsweise an den ganzen Stunden der Uhrzeit, während die Zweitklässler das Ablesen der Minuten üben.
In Differenzierungsstunden sind zwei Lehrkräfte in der Klasse oder es findet jahrgangsstufengetrennter Unterricht in der Kleingruppe statt zur Einführung neuer Themen oder zum differenzierten Üben.
In offenen Unterrichtsphasen üben die Kinder individuell und selbstbestimmt innerhalb eines abgesprochenen Rahmens, z.B. bei der Arbeit an Buchstaben- oder Mathematik-Lernplänen, mit Übungsplänen oder an Portfolios. Dieser Entscheidungsspielraum stärkt die eigene Verantwortung und Lernmotivation. Die Kinder erhalten dabei kontinuierlich persönliche Rückmeldung und Hilfestellung durch die Lehrkraft und entwickeln auch Kompetenzen z.B. im Bereich der Arbeitsorganisation. Das gibt jedem einzelnen Kind Sicherheit und Halt und fördert gleichzeitig seine Selbstständigkeit.
Gesprächskreise verbinden schließlich das Lernen des einzelnen immer wieder mit der Gesamtgruppe. Die Kinder bringen ihre Arbeitsergebnisse in die Klasse ein, lesen beispielsweise einen selbst verfassten Text vor, präsentieren ein Ergebnis, stellen einen Versuch vor oder berichten, wo sie feststecken und nicht mehr weiter kommen. Sie erhalten von anderen Kindern Rückmeldung in Form einer Würdigung ihrer Arbeit oder auch Tipps zur Weiterarbeit. Dabei lernen sie, Fehler als Lernchance zu erkennen und konstruktiv damit umzugehen. Außerdem achten wir besonders auf einen wertschätzenden Umgang, den die Kinder bei dieser Gelegenheit immer wieder praktisch erfahren und einüben.
Diese unterschiedlichen Arbeitsformen geben einerseits jedem Kind Raum für seine individuelle Entwicklung und binden es gleichzeitig in eine unterstützende Gruppe ein, die den einzelnen stärkt – so dass jedes Kind angstfrei und mit Freude lernen kann!
LernEntwicklungsgespräche
Ursprünglich war das dokumentierte Lernentwicklungsgespräch fester Bestandteil der Flexiblen Grundschule. Aufgrund der sehr positiven Erfahrungen damit, haben inzwischen alle Grundschulen in Bayern die Möglichkeit, bestimmte Zeugnisse durch ein Lerngespräch zu ersetzen.
Vor dem Gespräch
Die Kinder füllen einen Selbsteinschätzungsbogen aus, den „Ich-Bogen“. Die Eltern unterstützen ihr Kind beim Ausfüllen des Bogens, lassen es aber seine eigenen Einschätzungen eintragen. Die Lehrer füllen den Beobachtungsbogen aus, den „Du-Bogen“.
Während des Gesprächs
Kind, Lehrkraft und Eltern treffen sich zu einem gemeinsam vereinbarten Gesprächstermin. Im Gespräch werden die persönlichen Stärken des Kindes erörtert, die Einschätzungen auf den Gesprächsbögen verglichen und gemeinsame Zielvereinbarungen formuliert.
Nach dem Gespräch
Die gemeinsam überarbeiteten Gesprächsbögen bekommen die Kinder am Zeugnistag mit nach Hause. Damit jedes Kind seine Zielvereinbarungen leichter im Blick behalten kann, bekommt es von der Lehrkraft eine sogenannte Zielrakete, ein Kärtchen mit den Vereinbarungen, das es im Mäppchen aufbewahren und immer wieder anschauen soll. Im Jahreszeugnis gibt die Lehrkraft eine Rückmeldung über die Zielerreichung.